Russlands Handballer besiegen im Endspiel erstmals seit drei Jahren den Dauerrivalen Schweden
SYDNEY, 1. Oktober. Andreas Larsson war unzufrieden mit dem zweiten Platz, er wäre lieber Dritter geworden. "Selbst Bronze ist besser als Silber", sagte der schwedische Rückraumspieler, der in Deutschland beim Handball-Bundesligisten HSG Nordhorn arbeitet. "Über Bronze kannst du dich freuen, weil du dein letztes Match im Turnier gewonnen hast." Larsson deutete mit einem Kopfruck zurück auf das Spielfeld. Da sangen die Spanier, 26:22-Sieger über Jugoslawien im Spiel um Platz drei, immer noch ihr Lied mit der einzigen Textzeile "la-la-lalala".
Die Schweden waren schon gegangen mit ihrem verdammten Silber. Irgendwann wird selbst das strahlendste Metall hässlich. Für fünf Schweden aus dem Team, das am Sonnabend vor 10 000 Zuschauern im ausverkauften Dome das Finale 26:28 gegen Russland verlor, war es nach 1992 und 96 die dritte olympische Silbermedaille. Deshalb war die Plakette um ihren Hals vor allem eine Erinnerung daran, was sie wieder nicht gewonnen haben. Spieler wie Magnus Wislander, der Handballer des Jahrhunderts, Staffan Olsson und Ola Lindgren (alle 36), brachten das schwedische Team seit 1990 bei allen neun Welt- und Europameisterschaft sowie Olympischen Spielen immer unter den ersten Drei unter. Jeweils zweimal gewannen sie WM und EM. Einen Titel davon könnten die Russen gerne haben, bot Trainer Bengt Johannson an: "Mir wäre wohler, wenn wir ihnen unseren Sieg im EM-Finale 2000 geben könnten und sie uns diesen Olympiasieg."
Ihr Spiel war diesmal Gold nicht wert, das ist die schlichte Wahrheit. Und sie wissen es selber. "Wir waren in diesem Turnier nicht so gut wie etwa beim WM-Sieg in Ägypten 1999", sagte Mannschaftskapitän Stefan Lövgren vom THW Kiel, der wie 13 andere Akteure dieses Endspiels in der deutschen Bundesliga engagiert ist. Mühsam wirkten ihre Aufführungen schon auf dem Weg ins Finale, einer wie der deutsche Bundestrainer Heiner Brand erkannte in der schwedischen Schwerfälligkeit allerdings auch eine Qualität. "Die Schweden haben hier sicherlich schlechter als wir gespielt", sagte Brand, dessen Team mit einem 25:22-Erfolg über Frankreich auf Platz fünf kam, "aber in den entscheidenden Momenten besser." Das war vor dem Finale.
Die entscheidenden Momente. "Da haben wir einen richtig großen Mist gebaut", sagte Lövgren. 16:14 führte Schweden nach 36 Minuten. 16:21 lagen sie acht Minuten später hinten. Einmal kamen sie noch heran, auf 22:24, aber mehr ließ Andrei Lawrow nicht zu. Der russische Weltklassetorwart hielt 17 Schüsse und damit nahezu jeden zweiten Ball. Und Alexander Tutschkin von Eintracht Hildesheim machte die Gewinn bringenden Tore, sieben insgesamt. Es war die Rückkehr eines verlorenen Gefühls: Seit sie die Schweden 1997 im WM-Finale überwältigten, hatten die Russen bei den folgenden drei Meisterschaften gegen den permanenten Rivalen das Nachsehen.
"Das war ja nicht unsere letzte Nacht zusammen", sagte Andreas Larsson, auf der Suche nach Trost. Die nächste WM steht schon im Januar an, da wollen sie alle noch einmal ran zum letzten Hurra der Wislander-Generation.
aus der Berliner Zeitung vom 02.10.2000, Autor: Ronald Reng